Grafik: Gerke/Ruge/HkD

Geistliche Leitung

Handlungsraum der Menschen und Werk Gottes

Grafik: Gerke/Ruge/HkD

Nach evangelischem Verständnis ist die Kirche auf der einen Seite ein menschlicher Handlungsraum, der verantwortlich gestaltet werden will. Dazu gehört das normale Leitungshandwerk von Sitzungsleitung über finanzielle Verantwortung, von Fragen der Gottesdienstgestaltung bishin zur Personalverantwortung.

Auf der anderen Seite glauben wir, dass die Kirche zugleich das Werk Gottes ist. Hier wirkt Gott, weckt und erneuert Glaube durch sein Wort, richtet Leben auf, baut sein Reich.

Denn nur aus diesem Grund gibt es die Kirche. Sie ist kein Selbstzweck, sondern um Gottes und der Menschen willen da.

Leitungskultur - Wertschätzung und neugierig auf andere

Diesen doppelten Aspekt nimmt der Begriff „Geistliche Leitung“ in den Blick. Er verbindet das Leitungshandeln im Rahmen eines konkreten Verantwortungsbereiches innerhalb der Kirche mit einer Haltung der Gott-Offenheit.

Dies beinhaltet eine Leitungskultur,

  • die die eigene Rolle verlässlich und transparent wahrnimmt,
  • von Wertschätzung geprägt ist und
  • neugierig damit rechnet, dass sich Gott auch im Anderen zu Wort meldet.

Hilfreiche Spielregeln

Dabei haben sich folgende Spielregeln als hilfreich erwiesen:

  • Wir hören einander aufmerksam zu und urteilen nicht.
  • Wir achten darauf, zum schöpferischen Prozess der Gruppe beizutragen.
  • Wir bitten um das, was wir brauchen, und geben, was wir können.
  • Von Zeit zu Zeit halten wir inne und richten unsere Gedanken und Aufmerksamkeit wieder neu aus.

Allgemeines Priestertum aller Getauften

In einer Kirche des „allgemeinen Priestertums aller Getauften“ ist die Leitung ein besonderer Dienst, der im Zeichen der Gemeinschaft der Christinnen und Christen steht.

Sie hat die grundlegende Aufgabe, die Entfaltung der Gaben der Getauften zu fördern (1. Brief an die Korinther 12; 1. Petrusbrief 2,9).

Dienen nicht Herrschen

Leitung will Menschen in der Gemeinde befähigen, ermächtigen und zurüsten zum „Werk des Dienstes“ (Eph 4,12), damit Christinnen und Christen ihre Sendung im Alltag der Welt wahrnehmen können.

Geistlich fundiertes Leiten bedeutet Dienen und nicht Herrschen (Markus 10,42ff). Eine solche Leitung sucht andere für gemeinsame Ziele zu gewinnen und geschieht durch das werbende Wort. Zugleich entwickelt sie den Mut, notwendige Entscheidungen zu treffen und setzt sich dem Risiko aus, nicht immer von allen ‚geliebt‘ zu werden.

Wenn es keine offizielle Leitung gibt, entwickelt sich in der Regel eine informelle und es besteht die Gefahr der Willkür.

Gemeinsame Leitung von Kirchenvorstand und Pfarramt

Die Gemeinden der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers werden vom Kirchenvorstand und dem Pfarramt gemeinsam geleitet. Durch Wahl oder Berufung wird man mit der Leitungsverantwortung im Kirchenvorstand betraut.

Neben diesem geordneten „menschlichen“ Verfahren steht die Einführung mit Segen, der die Gottesdimension deutlich macht.

Geistliche Leitung geschwisterlich

Geistliche Leitung geschieht daher geschwisterlich und kooperativ, also in geteilter Macht und Verantwortung und in einer ständigen gemeinsamen Suchbewegung, die sich dem Wirken Gottes öffnet (Hören, Beten, sich gemeinsam an biblischen Texten orientieren, Miteinander-Reden). Organisatorische Entscheidungen brauchen eine geistliche Orientierung.

Geistliche Einsichten müssen organisatorisch umgesetzt werden. Beides ist zu unterscheiden, aber nicht zu trennen, sondern angemessen in Beziehung zu setzen. Nüchterne Bestandsaufnahme ist ebenso wichtig wie zukunftsorientiertes Fragen nach Gottes Weg.

Visionen für die Zukunft

Gemeindeleitung ist in Zeiten des kirchlichen Umbruchs eine visionäre Aufgabe. Dies bedeutet, Gemeinde neu zu denken und zu fragen:

  • Was ist unser Auftrag in unserem Kontext?
  • Was hat unser Dorf, unser Stadtteil davon, dass es uns als Kirchengemeinde vor Ort gibt?
  • Was gilt es daher zu tun – und was zu lassen?

Ein nostalgischer Rückblick in eine vermeintlich intakte kirchliche Vergangenheit hilft hier nicht weiter.

Wo sich die Suche nach der zukünftigen Gestalt der Gemeinde mit dem Vertrauen paart, dass Gott auch aus der Zukunft auf uns zukommt, können alte Bilder der Vergangenheit losgelassen werden. Ressourcenverknappung und Strukturanpassung werden dann zu Herausforderungen für den Neuaufbruch.

Biblische Verheißungs-Bilder für Gemeinde

Wegweiser für die Zukunft finden sich reichlich in biblischen Verheißungsbildern von Gemeinde:

  • wanderndes Gottesvolk,
  • Hirt und Herde,
  • Leib und Glieder,
  • Weinstock und Reben,
  • Ackerfeld und Tempel Gottes,
  • Haus der lebendigen Steine,
  • Brief Christi,
  • Salz der Erde,
  • Licht der Welt.

Diese Metaphern helfen, zwischen Visionen und eigenen Wunschbildern zu unterscheiden, und entlasten das Leitungsgeschäft von ermüdender Routine.

Es gehört zu den Aufgaben der Gemeindeleitung, sich mit den biblischen Bildern auseinanderzusetzen und sie mit der gemeindlichen Realität in eine kreative Beziehung zu bringen.

Was lebendige Gemeinde ausmacht

Die biblischen Leitbilder zeigen, was eine lebendige Gemeinde ausmacht:

  • Menschen entdecken in der Gemeinde und durch die Gemeinde die Lebenskraft des Evangeliums.
  • Sie erfahren christliche Gemeinschaft.
  • Sie entfalten ihre Gaben und setzen sie im Dienst aneinander und für andere ein.
  • Sie wirken verwandelnd auf ihre Umgebung ein und fördern gemeinsam mit anderen die Lebensbedingungen vor Ort.

Fragen für die Gemeindeleitung

Für die Gemeindeleitung stellen sich deshalb folgende Fragen:

  • Wie lebt unsere Gemeinde die biblischen Leitbilder?
  • Welche Bilder sind bei uns unterbelichtet oder ausgeblendet – und warum?
  • Was fördert bzw. verhindert aktuell die Entfaltung unseres Gemeindelebens?
  • Was verdient zum gegenwärtigen Zeitpunkt besondere Beachtung?

Drei Aspekte der Gemeindeleitung

Gemeindeleitung ist ein mehrdimensionales Geschehen. Sie umfasst drei Aspekte:

Diese drei Dimensionen müssen wie ein Regelkreis immer wieder neu durchlaufen werden.

Text: Pastor Philipp Elhaus, Leitender Referent für Missionarische Dienste, HkD, Hannover

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