Lebendige Gottesdienste, die berühren
Viele Menschen wünschen sich einen lebendigen Gottesdienst. Einen Gottesdienst, der sie berührt. Denn sie wollen Kirche erleben – und ihre Gefühle nicht an der Garderobe abgeben.
Viele Menschen wünschen sich einen lebendigen Gottesdienst. Einen Gottesdienst, der sie berührt. Denn sie wollen Kirche erleben – und ihre Gefühle nicht an der Garderobe abgeben.
Und: Jeder Gottesdienst ist auch eine Einladung an Menschen, die nicht zum Kreis der regelmäßigen Besucher zählen. Wie fühlen sie sich aufgenommen? Wie kann in ihnen das Gefühl entstehen: „Ich bin willkommen“? Wenn wir auch diesen Personenkreis in unser Blickfeld einbeziehen, dann gestaltet sich der Gottesdienst auf bewusste, offene und neue Weise, auch wenn wir gar nicht so viel verändern.
Es lohnt sich auch als Kirchenvorsteherin und Kirchenvorsteher, folgende Aspekte bei der Gottesdienstgestaltung zu bedenken:
Unsere Sprache sollte über den binnenkirchlichen Horizont hinausgehen. Es beginnt damit, Gefühle und Emotionen im Gottesdienst zuzulassen (und keine Angst vor ihnen zu haben). Wenn wir diese Dimension als ernst zu nehmenden Bestandteil einer Liturgie wahrnehmen, greifen die verschiedenen Gestaltungsformen.
Die Erfahrung lehrt: Wenn sich die Sprache nicht an der Agende festhält, aber deren Inhalte erfahren lässt, werden auch Menschen erreicht, die sonst nicht zur Kirche kommen.
Zweierlei ist zu erleben: Wenn eine „normale“ Sprache gesprochen wird, finden sich Menschen im Gottesdienst wieder. Gerade Kirchenferne fühlen sich dann angezogen in ihrer Suche nach Glauben und der Sehnsucht nach Spiritualität.
Gesprochene Sprache verwenden
Zudem wird die Agende, wenn ihre Formeln aufgebrochen werden, auf neue Weise lebendig – Gesprochene Worte nehmen wir anders auf als geschriebene.
Seien Sie Sie selbst! Lassen Sie vielleicht zuvor einen „Nicht-jeden-Sonntag-Kommer“ auf Ihre Texte schauen.
Wir feiern miteinander etwas ganz Gegenwärtiges! Wir erzählen einander von unserem Glauben „auf der Höhe der Zeit“ und erfahren, was Gott mit uns vorhat. Wir werden von Gott gestärkt für unseren Alltag.
Beim Gottesdienst wollen sich Menschen nicht wie in einem Museum vorkommen, in dem es nur Altes anzuschauen gibt.
Wenn das Heute im Gottesdienst zu erleben, zu sagen und zu singen ist, dann beleuchtet auch unsere Tradition die Gegenwart: ein biblischer Text, ein Vaterunser, ein Segenswort oder auch eine alte Melodie.
Viele Menschen suchen gern sakrale Räume auf, haben ein Gefühl für ihre Ausstrahlung und merken, dass man dort besonders gut zu sich selbst und zu Gott kommen kann.
Wenn der Raum für den Gottesdienst einladend gestaltet ist, fühlen sich die Menschen in ihm zu Hause und spüren: Dies ist ein ganz besonderer Ort. Für die Gottesdienstgestaltung bietet der kirchliche Raum viele Anknüpfungspunkte.
Konzentrierte Klarheit
Es versteht sich von selbst, dass der Gottesdienstraum in „konzentrierter Klarheit“, also aufgeräumt, den Menschen entgegen„strahlt“.
Das gilt auch für den Eingangsbereich. Auch wenn die Menschen sich in der Kirche wohlfühlen sollen, ist ein „heiliger Raum“ etwas anderes als das Wohnzimmer zu Hause. Juccapalmen und Ähnliches haben deshalb in der Kirche nichts zu suchen.
Viele Kirchen verfügen durch ihre Architektur bereits über eine gute Lichtgestaltung. Auf sie können wir vertrauen und müssen nicht immer alle Lampen anmachen.
Darüber hinaus kann zusätzliches Licht einen Raum atmosphärisch verwandeln. Kerzen oder einige Spots, die das Besondere hervorheben, wirken oft besser als eine ständige „Festbeleuchtung“.
Dimmer sind inzwischen selbstverständlich – und können sonst sehr einfach „nachgerüstet“ werden. Oft kann man die einfachen Lichtschalter durch Dimmer ersetzen. Fragen Sie sich: Mit welchem Licht können wir die Atmosphäre des Raumes unterstreichen?
Welche Musik wird im Gottesdienst gespielt? Welche Instrumente werden (neben der Orgel) eingesetzt? Schon ein Soloinstrument – ein Saxophon oder eine Flöte – oder die Begleitung eines Liedes auf dem Klavier bereichert den Gottesdienst und gibt ihm eine neue akustische Dimension.
Ebenso tragen Menschen, die mit unterschiedlicher Stimme zu Wort kommen, zu einer „Mehr-Stimmigkeit“ im Gottesdienst bei.
Falls Sie eine neue Verstärkeranlage für Ihre Kirche planen, achten Sie darauf, dass sie musiktauglich ist – und nicht nur zum Sprechen geeignet.
Die verschiedenen Ebenen des Gottesdienstes und ihr Zusammenspiel bedenken wir auch unter dem Gesichtspunkt der emotionalen und atmosphärischen Wirkung.
Deshalb ist auch sehr wichtig, dass gerade „fremde“ Menschen, die in der Kirche nicht an jedem Sonntag zu Hause sind, begrüßt werden, wenn sie den Gottesdienstraum betreten: freundlich, einladend, aber nicht aufdringlich.
Der Anfang entscheidet, ob die Menschen wirklich ankommen – oder ob sie schon zu Beginn des Gottesdienstes „auswandern“. Deshalb ist die „Eingangsliturgie“ besonders wichtig.
Neben den ‚normalen‘ Gottesdiensten des Kirchenjahrs wird zu bestimmten Anlässen der Gottesdienst in besonderer Weise gefeiert. Bei Gemeindefesten und beim Schulanfang ist das schon lange selbstverständlich.
Sie können mehrmals im Jahr auch an besonderen Orten stattfinden – draußen: im Wald, am See oder Fluss, vor einem Denkmal oder auf dem Marktplatz … – Außerdem: Die „Schwellenängste“ von Kirchenfernen sind draußen viel geringer. Sie können ihre Nähe und Distanz zum Geschehen selber bestimmen.
Besondere Gottesdienste müssen auch auf besondere Weise bekannt gemacht werden, beispielsweise in der Zeitung oder an Orten, wo sich Menschen aufhalten, die eingeladen sind.
Ein Gottesdienst braucht Freiräume, in denen sich etwas ereignen kann, in Stille und Spontaneität – zum Beispiel bei einer Segnung, einer Handmeditation, bei Musik, die einfängt und einstimmt, und einer Sprache, die lebendig ist.
Das alles will inszeniert werden und gehört zum „Erlebnisraum Liturgie“. Der Heilige Geist will sich frei entfalten!
Im Team gestalten
Lebendige Gottesdienste entstehen zusammen mit der Gemeinde – ambesten im Team. Gut, wenn auch Menschen mitarbeiten, die nicht „binnenkirchlich“ denken und handeln.
Wer die Fühler ausstreckt, findet sicher einige, die sich freuen mitzumachen – beim Sonntagsgottesdienst und bei einem besonderen Gottesdienst. Die Wendepunkte des Lebens wollen lebendig gestaltet sein, vom Morgen bis zum Abend, vom Frühling bis zum Winter, von der Geburt bis zum Tod. Immer mehr Menschen sollen spüren: Du bist begleitet.
Beispiele im Andachtsbuch für Kirchenvorstände
Im „Andachtsbuch für Kirchenvorstände“ finden Sie zahlreiche Beispiele und Literaturhinweise zur Gottesdienstgestaltung.
Text: Pastor Fritz Baltruweit, Michaeliskloster Hildesheim, Arbeitsbereich Gottesdienst und Kirchenmusik